Das Schicksal der Sophie M. (3)*
3. Kapitel
Michael und Sophie waren von nun an jeden Tag zusammen. Sie redeten nicht viel, sondern saßen einfach nur Hand in Hand da und weinten. Beide hatten ihren liebsten Schatz verloren. Die vier Jugendlichen wurden auseinandergerissen. Sie waren die besten Freunde, und nun?
Wenn sie sprachen, dann nur über den Tod. „Weißt du Micha, ich glaube, ich halte das nicht mehr lange aus. Ich weiß nicht, was ich tun soll? Aber ich weiß, wie wir vier wieder zusammen sein können.“ „Sophie! Das ist eine absurde Idee!“ „Aber Micha, du könntest dann wieder mit Aleks zusammen sein.“ Er überlegte eine Weile und entschied schließlich: „Du hast Recht. Für mich hat das Leben auch keinen Sinn mehr. Und wie wollen wir es tun?“ „Mit dem Strick“, antwortete Sophie entschlossen. Es folgte Stille. Sie waren sich einig. Jetzt brauchten sie nur noch einen Platz, wo sie ihren Plan ausführen konnten.
An einem Abend, an dem es Sophie mal wieder nicht zu Hause aushielt, rief sie Michael an. „Ich bin bereit“, waren ihre einzigen Worte. Er war es schon längst. Mit einer Tasche in der Hand gingen sie in den nahe gelegenen Wald. Als sie ein passendes Plätzchen gefunden hatten, sagte Sophie: „Du, Micha, ich möchte nicht als Jungfrau sterben.“ Er verstand, worauf sie hinaus wollte. Ohne lange zu überlegen nickte er mit dem Kopf. Er war bereit und einverstanden. Die beiden Freunde waren zwar nicht ineinander verliebt, aber insgeheim hatte sich der Wunsch, miteinander zu schlafen, in letzter Zeit immer mehr verstärkt. Da es auf dem Waldboden kalt war, breitete Micha seinen Mantel aus…
Sie legten sich beide eine Schlinge um den Hals. Das andere Ende hatten sie an einem Ast befestigt. Sie kletterten den Baum hinauf. Nachdem sie der Meinung waren, die passende Höhe erreicht zu haben, sahen sie sich noch einmal schweigend an. Es folgte ein letzter, leidenschaftlicher und kalter Kuss – dann sprangen sie in die Tiefe.
„Was ist passiert?“, dachte Sophie benommen. Langsam schlug sie ihre Augen auf. Neben ihr lag Michael. Sie erinnerte sich. Aber warum lebte sie? Und was war mit Michael? Fast schon panisch suchte sie seine Hand, um seinen Puls zu ertasten, aber da war nichts zu spüren. Und atmen tat er auch nicht. Sophie war sich sicher, dass er tot war. Doch warum hatte sie überlebt? Erst jetzt bemerkte Sophie den Ast, der auf Micha lag. Dann entdeckte sie die Blutlache um seinen Kopf. Mit großem Entsetzen reimte sie sich das Geschehen zusammen: Sie waren Hand in Hand gesprungen, wobei der Ast, auf dem sie standen, abgebrochen und Micha erschlagen haben muss. War er schon tot oder lebte er noch, als das passierte? Sophie konnte nicht weiter nachdenken. Gedankenverloren lief sie durch den Wald. Irgendwie fand sie schließlich nach Hause. Ohne irgendjemandem etwas zu sagen, geschweige denn die Polizei zu informieren, ging sie in ihr Zimmer. Sie tat, als wäre nichts gewesen. Da klopfte es an ihrer Tür und ihre Mutter trat ein. „Es tut mir leid, was mit Aleks und Toby passiert ist. Ich habe es gestern erfahren. Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Wie geht es dir?“, fragte sie besorgt. „Gut. Aber bitte lasse mich jetzt allein.“ „In Ordnung.“
*Hinweis: Diese Geschichte habe ich vor kurzem beim Aufräumen wiedergefunden. Ich war gerade erst 14 Jahre alt, als ich sie geschrieben habe. Einige Vorkommnisse können daher etwas unlogisch bzw. unrealistisch sein. Ich selbst musste hin und wieder schmunzeln, als ich die Zeilen gelesen habe. Bevor sie ganz verloren gehen, stelle ich sie nun (inhaltlich) unbearbeitet in meinen Blog ein.
Damals gab es einige Todesfälle an unserer Schule, darunter auch zwei Selbstmorde. Darüber wurde natürlich viel geredet. Ich vermute, dass diese Ereignisse Einfluss auf meine Geschichten hatten.
Ich möchte trotzdem jedem dazu raten, sich Hilfe zu suchen und mit Experten über die eigenen Sorgen zu reden. Anlaufstelle kann beispielsweise die Telefonseelsorge sein. Tel.: 0800 / 1110111.