Das Schicksal der Sophie M. (1)*
1. Kapitel
„Verdammt! Schon wieder eine Fünf. Ich glaube, dieses Jahr fliege ich durch!“, fluchte Sophie, als die Klasse ihre Geschichtsarbeit wiederbekommen hatte. „Scheiß Geschichte, das raffe ich einfach nicht!“ Ihre Nachbarin Aleks wandte sich ihr zu: „Was hast du denn?“ „Eine Fünf minus, so ein verdammter Mist! Geschichte ist ja auch zum Kotzen!“ „Ich habe eine Drei plus. Wenn du willst, können wir ja mal zusammen üben?“, bot Aleks ihr an. Sophie und Aleks waren gute Freundinnen. Sie konnten Probleme gegenseitig an der Stimmung erkennen. Und Sophie hatte Probleme, eine ganze Menge sogar.
„Diese Arbeit möchte ich mit Unterschrift zurückbekommen“, sagte die Lehrerin. Als Sophie das hörte, bekam sie einen riesen Schock. „Was? Das darf doch nicht wahr sein! Meine Eltern bringen mich um! Wie soll ich ihnen das nur sagen?“, fragte sie sich verzweifelt. Aleks wollte ihre Freundin auf andere Gedanken bringen und schlug ihr vor: „Möchtest du dann mit in die Stadt zum Döner essen kommen?“ „Was?! Sag‘ mal piept’s bei dir? Ich habe eine Fünf, bin gerade an der Sechs vorbei und du willst, dass ich mit dir in die Stadt komme?“ „Tut mir leid, ich wollte dich ja nur etwas ablenken. Aber hast du nicht noch die Eins von Mathe und die Zwei in Französisch? Zeige deinen Eltern die drei Arbeiten doch zusammen. Dann sind sie vielleicht nicht ganz so böse. Und außerdem versprichst du ihnen, für Geschichte jetzt jeden Tag eine halbe Stunde zu lernen. Ich helfe dir dabei, okay?“ „Das ist wirklich lieb gemeint von dir, aber jeden Tag büffeln? Ich weiß nicht. Und deine Freizeit ist ja dann auch weg, wo du doch jetzt deinen Michael hast.“ „Also zweimal die Woche können wir ruhig zusammen lernen. Wie wäre es mit Dienstag und Donnerstag?“ „Dienstag geht nicht, da treffe ich mich doch immer mit Heike.“ „Dann eben Montag.“ Schließlich willigte Sophie ein: „Na gut, dann eben Montag und Donnerstag. Oh man, da sehe ich Tony ja auch nur noch zwei Tage die Woche. Ob er damit einverstanden ist? Wir sehen uns ja so schon so wenig.“ „Das wirst du wohl in Kauf nehmen müssen. Sieh es doch mal so, die zwei Tage werden für euch dann umso schöner.“ „Da könntest du Recht haben. Fangen wir heute gleich mit dem Lernen an?“ „Na klar, es ist Donnerstag. Dann wird das mit der Stadt heute wohl nichts“, stellte Aleks fest. „Leider nein. Du verstehst doch warum, oder?“ „Ja logo.“ Es klingelte zur Pause.
„Schau mal Sophie, dort ist dein Verehrer, der kleine Thomas“, flüsterte Aleks ihrer Freundin auf dem Schulflur zu. „Ach Gott. Er kann einem richtig leid tun. Aber ich habe schon genug Probleme am Hals. Trotzdem, wie der mich immer ansieht“, antwortete Sophie. „Ja, das ist mir auch schon aufgefallen. Du darfst ihn bloß nicht zu lange anschauen, sonst macht er sich vielleicht noch Hoffnungen.“ „Da hast du recht, aber ich kann einfach nicht wegsehen. Seine Augen sind so schön.“ „Sophie! Ich hoffe, du verliebst dich nicht in ihn. Erstens ist er jünger und zweitens ist er nicht dein Typ“, ermahnte sie Aleks. „Du hast ja recht.“ „Du, Sophie, ich glaube, er kommt hierher. Lasse dir nichts anmerken. Schau einfach nicht hin.“ „Du hast gut reden.“ Thomas kam tatsächlich auf die beiden Mädchen zu und sprach sie an: „Du, ich glaube du heißt Sophie. Können wir mal miteinander reden?“ „Klar. Wartest du hier Aleks? Ich bin gleich zurück.“ Und sie flüsterte ihr noch ins Ohr: „Wünsche mir Glück. Hoffentlich ist es nichts ernstes.“ „Ja ich drücke die Daumen. Bis gleich.“
Thomas und Sophie gingen ein Stückchen bis sie schließlich alleine waren. „Du heißt doch Sophie, oder?“, fragte Thomas. „Ja schon, aber was willst du denn mit mir bereden?“ Etwas verlegen antwortete er: „Nun, dass ich dich beobachtet habe.“ „Allerdings.“ „Ja, also, ähm, ich finde dich sehr hübsch und interessant. Und da wollte ich dich fragen, ob wir uns vielleicht mal näher kennenlernen können?“ Sophie gefiel seine Offenheit. „Mensch, Mut hast du ja. Deswegen möchte ich dich jetzt nicht abblitzen lassen. Geht morgen 17.00 Uhr hier an der Schule?“ „Ja na klar, super. Also dann bis morgen.“
Sophie ging wieder zu Aleks zurück, die schon ganz ungeduldig auf sie wartete. „Und? Was wollte er?“ Etwas kleinlaut antwortete Sophie: „Wir haben uns für morgen verabredet. Bitte mache mir keine Vorwürfe. Er hat mich so süß gefragt.“ „Und dein Freund?“ „Bitte Aleks, ich konnte einfach nicht wiederstehen. Ach Mensch, ich bin echt verzweifelt. Meine Mutter bringt mich um! Vor kurzem hat sie meine Schwester geschlagen, bloß weil sie lachte. Meine Mutter dachte, sie habe sie ausgelacht. Jetzt hat meine Schwester ein blaues Auge.“ „War sie denn immer schon so schnell reizbar?“, fragte Aleks erschrocken nach. „Nein, eigentlich nicht. Erst seit kurzem. Deshalb werde ich auch oft angeschnauzt.“ „Oh man, du tust mir leid.“ „Da hilft kein Mitleid. Aber jetzt brauche ich dich umso mehr.“ „Natürlich, ich bin für dich da.“ Schon klingelte es zum Unterricht. Es war die letzte Stunde für die beiden Mädchen. Gemeinsam gingen sie anschließend nach Hause.
Als es 16.00 Uhr war kam Aleks wie vereinbart zu Sophie. Beide verkrochen sich in Sophies Kinderzimmer. Bereits nach einer Stunde gaben sie jedoch das Lernen auf. In Gedanken war Sophie bei Thomas. Was fand sie eigentlich an ihm?, fragte sie sich immer wieder.

Original-Auszug aus dem 1. Kapitel
*Hinweis: Diese Geschichte habe ich vor kurzem beim Aufräumen wiedergefunden. Ich war gerade erst 14 Jahre alt, als ich sie geschrieben habe. Einige Vorkommnisse können daher etwas unlogisch bzw. unrealistisch sein. Ich selbst musste schmunzeln, als ich die Zeilen gelesen habe. Bevor sie ganz verloren gehen, stelle ich sie nun (inhaltlich) unbearbeitet in meinen Blog ein.
Damals gab es einige Todesfälle an unserer Schule, darunter auch zwei Selbstmorde. Darüber wurde natürlich viel geredet. Ich vermute, dass diese Ereignisse Einfluss auf meine Geschichten hatten.
Ich möchte trotzdem jedem dazu raten, sich Hilfe zu suchen und mit Experten über die eigenen Sorgen zu reden. Anlaufstelle kann beispielsweise die Telefonseelsorge sein. Tel.: 0800 / 1110111.